Sonntag, 29. September 2013

Osteuropatour - 14. Etappe Bulgarien Schwarzes Meer

Wir sind faul geworden. Ein Ruhetag folgt dem anderen. Burgas am Schwarzen Meer, das wir am 24.9. mittags erreichten,  war auch zu verfuehrerisch. Ein Zimmer mit schoenem Balkon, abends draussen sitzen mit selbst gemachtem frischen Salat, einem Glas (oder wars eine Flasche?) Weisswein, ein Genuss. Und Burgas als Hafenstadt, geschaeftig, modern, das Meer, ein breiter Sandstrand, eine schoene Strandpromenade, da kann man es aushalten. Dazu eine einladende Fussgaengerzone, Geschaefte, viele auffallend modern gekleidete junge Frauen, ein Fresstempel und Cafe neben dem anderen, gut besucht, obwohl kaum noch Touristen da sind (Ein Kommentar dazu: "Die Wirtschaft laeuft schlecht, aber fuer einen Kaffee reicht es immer, so sind die Bulgaren"). Zu Museen hatten wir keine Lust, wir schlenderten entlang der Strandpromenade und durch die Stadt, besuchten eine Praesentation mit ueberlebensgrossen Sandfiguren, genossen es, lange im Cafe zu sitzen, ein Espresso fuer max. 50 Cent, das war auch fuer uns erschwinglich. Mittags assen wir leckeres Gebaeck, Blaetter- oder Hefeteig mit Schafskaese, Spinat u.a. (Boerek). Und, wir liessen uns Haare und Bart radikal kuerzen, um wieder zivilisiert auszusehen (unrasiert und fern der Heimat).

Am Samstag, den 26.9. ging es dann weiter die Schwarzmeer-Kueste entlang gen Sueden, vorbei an Sozopol, Primorsko, Carevo bis Athopol, 15km vor der tuerkischen Grenze. Diese Kueste zaehlt zu den touristischen highlights Bulgariens, teils Steilkueste, schoene Felsformationen, Buchten, und immer wieder wunderschoene, breite Sandstraende. Und: Ueberall erheben sich Hotelburgen, die teilweise die Landschaft verschandeln, und wenn man genauer hin sieht, dazwischen oder in kleinen Vierteln am Rand der Orte herunter gekommene, armselige Huetten.

Nur am 1. Tag konnten wir baden und uns in der Sonne aalen, denn inzwischen ist es zwar noch warm, aber ueberwiegend bewoelkt und schlechtes Wetter angesagt. Aber wir goennen uns in Athopol ein schoenes Zimmer (39 Euro zus. pro Nacht) wieder mit Balkon, ueber einer Klippe mit tollem Blick aufs Meer, dem steten Rauschen der Wellen, den Schreien der Moewen - entspannte Meeresstimmung. Hier lassen wir die Seele baumeln.

Allerdings -jetzt, Ende September, ist die Saison vorbei. Auf einem riesigen Campingplatz bei Sozopol, auf dem wir nochmals unser Zelt aufgeschlagen hatten, waren wir die einzigen Gaeste - gespenstisch An den Straenden sind Bars und Cafes schon geschlossen und winterfest mit Brettern zugenagelt. Die Orte, im Sommer ueberfuellt, sind jetzt leer, die meisten Hotels und Lokale geschlossen. Touristenorte ausserhalb der Saison wirken trostlos.

Davon lassen wir uns nicht verdriessen, wir geniessen die ruhige Atmosphaere am Meer. Bei Burgas sind wertvolle Rastplaetze fuer Zugvoegel auf ihrem Weg in den Sueden. An zwei Beobachtungsstationen konnten wir Weiss- und Schwarzstoerche beobachten, ebenso Pelikane, Seeadler und viele Entenarten und Watvoegel. An der Grenze zur Tuerkei haben wir den Naturpark Stranzka besucht, mit ausgedehnten Urwaeldern aus Eichen und Buchen in herstlicher Stimmung. Auf einer Bootsfahrt zeigte sich der Eisvogel.

Inzwischen, nach 9 Wochen, sind wir 3500km gefahren, davon in Bulgarien 500km. Bulgarien hat uns gefallen - interessante Landschaften, sehr schoene Staedte, wenn auch am Rande, wie haeufig im Osten, mehr oder weniger unschoene Plattenbausiedlungen, freundliche Menschen, schwierig ist die kyrillische Schrift, aber meist sind auch Schilder und Speisekarten in lateinischer Schrift vorhanden, nicht ueberall, aber oft sprechen Leute Deutsch oder Englisch. Man sieht


noch sehr viele Trabis oder alte Ladas, aber auch erstaunlich oft dicke BMWs oder Mercedes, dazwischen wenig. Das sagt auch etwas ueber soziale Spreizung und Lebensstandard aus.

 Je nach Wetter geht es kommende Woche weiter, ueber Malko Tarnovo in die Tuerkei. Das wird dann das letzte Land auf dieser Reise sein.

Unten noch die Karten zu unserer Route in Bulgarien, in der 11. Etappe habe ich die zu Rumaenien, in der 7. die zu Ungarn eingefuegt, fuer den, der sich genauer fuer den Reiseverlauf interessiert.



















Montag, 23. September 2013

Osteuropatour - 13. Etappe Bulgarien 2

Nach Veliko Tarnovo besuchten wir das Dorf Tryavna, 50 km bei sehr huegeliger Strecke entfernt, bekannt durch seine besonders ausgepraegte und wirklich sehenswerte Wiedergeburts-Architektur. Dann ging es ueber den Hauptkamm des Balkan. Keine Angst, der Pass hatte an dieser Stelle nur 700 Hoehenmeter und war komfortabel zu fahren. Also, die wilden Schluchten des Balkan sind auch nicht mehr das, was sie waren. Und danach empfing uns der Sueden: mit einer herrlichen Toskana-Landschaft, Lavendel-Feldern, Weinbergen, Kirschenplantagen, netten Doerfchen am folgenden Tag in beschaulicher Sonntagsvormittags-Atmosphaere bei strahlend blauem Himmel. Mit dem Wetter hatten wir bisher ueberwiegend Glueck, toi, toi, toi.

Unsere naechste Station war die Stadt Sliven. Mehrfach und eindringlich waren wir vor den grossen Gefahren gewarnt worden, die uns hier erwarten wuerden. Sliven sei naemlich ein Zentrum der Gypsis, also der Roma, die es hier zuhauf gebe und die alles stehlen wuerden, was nicht niet- und nagelfest sei, mit Vorliebe gute Fahrraeder und anderes Equipment deutscher Radtouristen. Bisher hatten wir die Romas als buntes, sympathisches Voelkchen kennen gelernt, bestenfalls mit der unangenehmen Eigenschaft, dass sie haeufig betteln. So fuhren wir denn mit geschaerften Sinnen nach Sliven hinein, jederzeit gewaertig, von Scharen begieriger Romas angefallen zu werden. Aber es geschah - nix. Alles blieb voellig friedlich, weit und breit waren keine Romas zu erblicken. Wir konnten unsere Raeder entspannt und sicher im Hotel abstellen, gemuetlich durch die Stadt schlendern, einen Kaffee trinken und abends Kavarma essen (ein typisches Gericht mit Fleisch, Zwiebeln und Pilzen in einem irdenen Topf zubereitet) - es passierte nichts. Die einzigen Romas, die wir zu Gesicht bekamen, waren am kommenden Tag stadtauswaerts drei Frauen, die in einer Muellhalde nach Brauchbarem wuehlten.... Die Abneigung gegenueber den Romas, die wir nur als kleine Minderheit wahrgenommen haben, ist sehr manifest.

Spaeter am Abend wurde es dann doch noch richtig aufregend in Sliven - wir hatten per internet die Wahlergebnisse in Deutschland verfolgt. Mit einem guten Schnaps hatten wir das Ausscheiden der FDP gefeiert, aber zumindest fuer Hessen wohl verfrueht, denn doet hatten sie sich in der Nacht wieder hinein geschlichen. Dass Angela zulegte, hat uns nicht ueberrascht. Keine Experimente, Probleme aussitzen, das entspricht derzeit der Stimmungslage des Durchschnittsbuergers. Und Mutti profitiert von der wirtschaftlichen Stabilitaet inmitten des krisengeschuettelten Europas. Eine Stabilitaet, die in nicht geringem Umfang den rot-gruenen "Reformen" geschuldet ist, duechgesetzt unter Ruinierung der eigenen politischen Identitaet zumundest der Sozis und auf Kosten sozialer Gerechtigkeit. Fuer die Gruenen haetten wir uns mehr erhofft, und wir druecken die Daumen, dass Jo es in den Landtag schafft. Soviel zur politischen Lage, aus der Ferne mit Scharfblick analysiert.

Am heutigen Montag ging es dann in einem Schub ueber fast 100km durch eine huegelige Landschaft mit halb ausgestorbenen Doerfern in Richtung S hwarzes Meer. Dort, genauer gesagt in der Stadt Burgas, werden wir morgen nach weiteren 30km einfahren. Wir erhoffen uns Sonne, Strand, Meer und einige entspannte Tage. Und auch schoene Campingplaetze, denn die haben wir bislang in Bulgarien und auch ueberwiegend in Rumaenien vermisst.










Samstag, 21. September 2013

Osteuropatour - 12. Etappe Bulgarien

Sonntag, 15.9.2013. Am Nachmittag kamen wir bei Zimnicea an der Faehre ueber die Donau an. Auf der Faehre waren wir eingezwaengt zwischen zahlreichen LKWs, die ueber mehr als zwei Stunden millimeter-scharf eingeparkt wurden, um moeglichst viele drauf zu packen. Unsere erste Stadt in Bulgarien war dann Svishtov. Wir blieben einen Tag, um uns in Bulgarien zu aklimatisieren. Es ist eine Universitaetsstadt, nicht sonderlich beeindruckend, aber mit sehr vielen jungen Leuten, die schon am fruehen Morgen scharenweise die zahlreichen Cafes bevoelkern (wann studieren die eigentlich?).

Am Dienstag, den 17.9. ging es weiter nach Sueden, 93km ueber eine gebirgige Strecke. Voellig kaputt kamen wir an unserem Ziel an: in Veliko Tarnovo. Dort trafen wir sie, genauer gesagt, sie gabelte uns auf. Rosa. Eine aeltere Dame, ebenso herzlich wie resolut, die ohne weiteres als Kraeuterhexe einem alten Maerchen entsprungen sein koennte. Dem entsprach auch das Zimmer, das sie uns fuer 10 Euro pro Person und Nacht anbot: Klein, vollgestopft mit alten Moebeln und Kruschel, die Waende ueberladen mit Bildern, die ihr Mann Alex, ein Kuenstler, gemalt hatte. Mit ihm bewohnt sie eine winzige Kueche in ihrem Haeuschen, die beiden Zimmerchen daneben vermietet sie an Touristen. Natuerlich gefiel uns das Zimmerchen, wir zogen ein und versuchten, unsere Klamotten irgendwie unter zu bringen. Die Fahrraeder wurden in dem engen Flur deponiert. Aber ansonsten war es urgemuetlich.

Ja, und die beiden folgenden Tage wurden dann von Rosa souveraen kommandiert und organisiert. Sie kannte alles und jeden, wusste, wo wir gut und guenstig essen konnten, bekochte uns selbst sehr lecker, kurierte die Durchfallerkrankung von Thomas mit Kraeutertee und strikten Verhaltensanweisungen und organisierte ein Taxi zu verschiedenen Klostern. So lernten wir in zwei Tagen eine faszinierende Stadt kennen.

Veliko Tarnovo liegt wie angeklebt an den Haengen des Flusses Yantra, der seine Schleifen durch den Ort zieht. Mit uebereinander verschachtelten Haeuschen am steilen Abhang des Flusses, eingebettet in eine weite Huegellandschaft, sieht das sehr malerisch aus. Veliko Tarnovo gilt als eine der schoensten Staedte Bulgariens, sie war vom 12. bis 14. Jahrhundert Hauptstadt, hier wurde 1879 nach der Befreiung von der jahrhunderte-langen tuerkischen Herrschaft die erste bulgarische Verfassung verabschiedet. Sie ist ein Zentrum der bulgarischen Wiedergeburts-Architektur, benannt nach der "Wiedergeburt" Bulgariens nach der Befreiung. Typisch: das Erdgeschoss aus Naturstein, darueber das Stockwerk aus Holz, nach vorne ueberstehend, von kunstvoll gestalteten Holzbalken getragen. Viele solcher historischen Haeuser, manche neu renoviert, andere krumm und schief, halb oder ganz verfallen, geben der Stadt einen besonderen Charme.

Mit Unterstuetzung von Rosa lernten wir die Stadt gruendlich kennen. Wir besuchten die Festung der frueheren bulgarischen Koenige mit der Kirche des Patriarchen auf der Spitze, erlebten abends eine light-show, besuchten Museen, genossen die Cafes der Stadt und fuhren zu vier der zahlreichen Kloster, in denen teilweise noch Nonnen oder Moenche leben. Die Kloester waren eindrucksvolle Gebaeude aus unterschiedlichen Zeiten mit interessanten Ikonen und Wandgemaelden. Aber begeistert haben sie mich nicht: diese orthodoxe Religion wirkt, mehr noch als andere Formen christlicher Religion,  duester, freudlos und lebensfeindlich.

Am Freitag, 20.9. kam dann der Abschied von Rosa. Mit einem deftigen Fruehstueck aus gebratenem Lammfleisch mit gebackenen Eiern und einer herzlichen Umarmung. Wer nach Veliko Tarnovo kommt, dem sei ihre Gastfreundschaft und Herzlichkeit sehr empfohlen: Rosa Grigorova, Mitropolit Panaret Rashev Str. 14.














Mittwoch, 18. September 2013

Osteuropatour -11. Etappe Walachei

"Zustaende wie in der Walachei", diese Redewendung zeigt schon, dass diese Landschaft im suedlichen Teil Rumaeniens bei uns nicht gerade positiv wahrgenommen wird. Nachdem wir sie von Donnerstag, 12.9.  bis Sonntag, 15.9. durchradelt haben, koennen wir beruhigen: ganz so schlimm ist es nicht. Allerdings, einen besonders tiefen Eindruck hat diese ziemlich flache Landschaft zwischen den suedlichen Karpaten und der Donau bei uns nicht hinterlassen.

Zunachst ist die Landschaft noch einigermassen ansprechend und vielfaeltig, gepraegt von kleinbaeuerlichen Strukturen. Wir sahn mehr Pferdewage als vorher, zudem, und das war neu, auch viele von Eseln gezogene Wagen, die Mais nach Hause fuhren, haeufig auch Gruenfutter oder Holz fuer den Winter. Die Doerfer sind langgezogene Strassendoerfer, mit Anwesen, die sich von Siebenbuergen erheblich unterscheiden. Kleine Haeuschen, mit Blechdaechern, kleine Nebengebaeude, alles umgeben von einem Holzlattenzaun, der zudem zahlreiche Obstbaeume, Weintrauben, Huehner und Enten umgibt sind typisch. Ab und an sieht man ehemalige LPGs, verlassen und verwahrlost, mit voellig verrostetem Maschinenpark. Nur wenige werden noch weiter betrieben.

In den Doerfern waren ueberall vor den Haeusern Baenke, auf denen aeltere Menschen, Jugendliche, Nachbarn sich trafen. Bei uns zu Hause sind solche Baenke laengst verschwunden, ersetzt durch kaltes, blaeuliches  Flimmern hinter verschlossenen Tueren. Auf unserer Fahrt wurden wir ueberall mit Hallo und Winken begruesst, immer wieder mussten wir Kindern die Haende abklatschen, es ist wohl so eine Mischung von Staunen, Bewunderung, vielleicht auch Kopfschuetteln ueber diese zwei verrueckten Alten. Jedenfalls kamen wir uns ein bisschen vor wie bei der Tour de France, wenn die Radsportler von ihrem begeisterten Publikum am Strassenrand gefeiert werden.

Aber dann aenderte sich bereits vor Rosiori de Vede die Landschaft in langweilige, oede Agrarsteppe. Riesige landwirtschaftliche Flaechen praegen das Bild mit endlosen Mais- oder Sonnenblumenfeldern, dazwischen Betriebe mit Massentierhaltung von Schweinen, deren Gestank meilenweit die Luft verpestet. Hier sind offenbar Kooperativen oder aehnliches als Nachfolger der LPGs am Werke.

Unsere Hoffnung, in den wenigen Staedten auf unserem Wege entschaedigt zu werden, in denen wir mangels Campingplaetzen uebernachteten, wurde ebenfalls enttaeuscht. Stadtzentren gibt es so gut wie keine, praegend sind heruntergekommene Plattenbau-Wohnblocks, nach 20 Uhr noch was zu essen zu kriegen gestaltet sich schwierig.

Dafuer hatten wir zwei Tage lang einen boesartigen, sturmartigen Wind von schraeg vorne, der ungebremst ueber diese Steppe fegte und das Radeln zur Tortur machte. Erst am letzten Tag konnten wir diesen Wind in unserem Ruecken geniessen. Die Jacke aufgespannt und wir jagten fast wie von selbst in Richtung Suedosten der Donau und der Faehre nach Bulgarien entgegen.