Samstag, 7. September 2013

Osteuropatour - 8. Etappe Rumaenien

Rumaenien, mit ca 900 km wird das die laengste Etappe unserer Reise. Heute, 6.9.13, haben wir davon mit 400 km fast die Haelfte bewaeltigt. Wir sind gerade in Sibiu bzw Hermannstadt und geniessen diese Stadt an 2 Ruhetagen.

Ein Land am oestlichen Rand Europas, mit den Karpaten als praegendes Gebirge, Ceaucescu-Diktatur, und, klar, Herta Mueller, und war da nicht was mit Graf Dracula? So viel zu meinem duerftigen Vorwissen. Umso mehr interessiert mich dieses Land inzwischen.
Aber zunaechst zu unserer Route. Sie fuehrte uns von Szeged in Ungarn ueber die Grenze immer geradeaus nach Osten, den Fluss Mures entlang durch das Banat und dann durch Transilvanien bzw. Siebenbuergen. Die Stadt Deva (Diemrich) war die erste Station, dann, 2 Tage spaeter,  kam Sebes (Muehlbach), und nach weiteren 2 Tagen, die Mures hatten wir inzwischen verlassen, erreichten wir  Sibiu (Hermannstadt). Von Fahrradweg keine Spur befuhren wir zunaechst die Bundesstrasse B7. Und das war moerderisch. Ein oft kaum 30 cm breiter Randstreifen, voellig vergurkt, mit vielen Rillen, und dicht neben uns donnerten dicke Lkws einer nach dem anderen vorbei, mit Luftwirbeln, bei denen man nur mit Muehe die Spur halten konnte. Da nutzte auch keine rote Warnweste, und der Schweiss kam diesmal weniger von der Anstrengung.
Wir waren uns schnell einig: Alles, nur nicht weiter diesen Horrortrip. Dann lieber ueber Feldwege oder auch Nebenstrassen, selbst wenn sie uns weitab ueber das Gebirge fuehrten. So quaelten wir uns ueber vermatschte Feldwege, durch Industriebereiche und an Muellplaetzen in Vorstaedten vorbei, oefter hartnaeckig verfolgt von ganzen Rudeln aeusserst aggressiver, wild lebender Hunde. Ab Seves hiess die Route bis kurz vor Sibiu bezeichnenderweise Tansalpina, und sie fuehrte uns bis auf ueber 900m Hoehe. Grossenteils Schotterpisten, ganze Strecken mussten wir schieben, endlos bergauf, bei Knallsonne (mit dem Wetter hatten wir meist Glueck), vor uns, wie ein Kraehennest hoch oben auf dem Gipfel des Berges, das Dorf Poiana Sibiului, das wir erreichen mussten. Da kommt dann schon mal: Warum tue ich mir das eigentlich an? Aber dann, die Belohnung: lange 18 km wunderschoen bergab, durch ein herrliches Tal, bewaldet, mit Bachlauf, wie aus dem Bilderbuch. Und schliesslich die Einkehr in die Pensiuna Domnescu in Saliste, eine warme Dusche, weiche Betten (fuer zusammen 100 Lei = 24 Euro), das Ganze sehr liebevoll gestaltet, freundliche Gastgeber. Und natuerlich ein leckeres Essen,  eine gute Flasche Rotwein, ein Wasserglas voll Slivovic (das sind wohl so die Portionen), nette Gespraeche mit anderen Gaesten u.a. ueber rumaenische und deutsche Literatur. Das Leben ist eines der schoensten. Zumal es natuerlich andere Tage gab, mit herrlichem Radeln unter blauem Himmel durch schoene Landschaften.

Wir kamen durch zahllose Doerfer, und ich fuehlte mich zurueck versetzt in meine Kindheit und Jugend in den 50er/Anfang 60er Jahre. Einfache, kleine Bauernhaeuser, intakte Bauerngaerten ueberall mit bereits abgeernteten Pflaumen- und noch voll haengenden Apfelbaeumen,  auf der breiten Dorfstrasse davor, meist nicht asphaltiert, frei laufende Huehner und Gaense, neben Traktoren, durchweg Oldtimer, ueberall noch Pferdegespanne mit gummibereiften Leiterwagen unterwegs, Bauernfamilien mit Kind und Kegel Kartoffeln lesend auf den Feldern, mit Pflug oder Kartoffelschleuder und Pferd ausgemacht. So aehnlich war das Leben damals, auf unserem Bauernhof, mit den beiden Pferden Lisa und Lotte, mit denen ich oft auf den Acker hinaus fuhr.

Dieses Leben hier wirkt romantisch, ist aber natuerlich vor allem Ausdruck eines bescheideneren Lebensstandards als in den Laendern, die wir vorher durchradelt haben. Wobei das Leben auf den Doerfern intakt scheint, viele Haeuser waren renoviert, man kann sich selbst versorgen. Ein Dorf insbesondere, ausgerechnet das Kraehennest Poiana hoch oben auf dem Berg, ueberraschte uns durch seinen sichtbaren Wohlstand. Hier habe jede Familie mindestens 2000 Schafe, so wurde uns erklaert. In den Staedten sei es schwieriger auszukommen, bei hoher Arbeitslosigkeit und der spuerbaren Wirtschaftskrise. Damit begruendeten Pensionswirte den Rueckgang der Besucherzahlen in diesem Jahr.

Aber wir wurden ueberall mit freundlichem Hallo begruesst, begegneten grossem Interesse und Staunen, haeufig kam es zu Gespraechen. Waehrend die ungarische Sprache sehr fremdartig klingt mit ihren Konsonantenhaeufungen und den tausend Oe's in den endlosen Wort-Ungetuemen klingt die rumaenische Sprache angenehm, ihr lateinischer Ursprung ist unverkennbar. Gottseidank haben damals nicht die alten Dacier, die einst hier lebten und an die zumindest noch die Automarke erinnert, in ihrem heldenhaften Freiheitskampf gegen die Roemer gesiegt, sonst waere das sicher anders. Zudem, viele sprechen Englisch und oft auch Deutsch.

Ueberhaupt ist die deutsche Geschichte hier allgegenwaertig. Siebenbuergen heisst das Gebiet, und in vielen Staedten und Doerfern stehen auf dem Eingangsschild neben den rumaenischen auch noch die urspruenglichen deutschen Namen ihrer frueheren Bewohner: Neudorf, Schoenbrunn usw. Wir fanden es hoch spannend: Die Siebenbuerger Sachsen, die seit Mitte des 12. Jh. Sich in mehreren Einwanderungswellen aus verschiedenen Teilen Deutschlands hier angesiedelt und ihre Sprache und Kultur ueber 800 Jahre erhalten hatten, gerufen zur Verteidigung und Kultivierung des Landes, haben deutliche Spuren hinterlassen. Die 7 groessten Staedte, u.a. Sibiu bzw Hermannstadt und zahlreiche Doerfer wurden von ihnen gegruendet, die Struktur ihrer Hofreiten mit dem Haus giebelseitig zur Strasse, einem grossen Tor in der Mitte und einem kleineren Gebaeude gegenueber sind ueberall praegend, in vielen Doerfern sind Wehrkirchen erhalten, Gotteshaeuser, festungsartig ausgebaut, denn man musste sich haeufig gegen einfallende Tuerken und Wandalen u.a. verteidigen und fand dann eben Zuflucht in der Kirche. Ein besonders schoenes Exemplar, die Wehrkirche in Calnic, haben wir uns genauer angeschaut, dort war auch eine kleine Ausstellung zu dem Leben der Siebenbuerger Sachsen zu sehen. Uebrigens, Sachsen hiessen sie nur deshalb, weil dies eine Zwischenstation auf ihrer Route war, sie kamen wohl ueberwiegend aus dem Gebiet Rheinland / Mosel und ihre Sprache aehnelt dem dort gesprochenen Dialekt.

Heute lebt nur noch ein kleiner Rest hier, aber immerhin, in Sibiu wird sogar noch eine deutsch-sprachige Zeitung heraus gegeben. Nach dem 2. Weltkrieg wurden viele Siebenbuerger Sachsen in die Sowjetunion deportiert und dort interniert, viele haben das Land bereits vor der Wende in Richtung Bundesrepublik verlassen (fuer die Diktatur waren die Zahlungen der Bundesregierung fuer jeden Ausreisenden eine willkommene Einnahmequelle), die uebrigen verliessen das Land direkt nach der Wende. Ihre Haeuser und Doerfer werden laengst von Rumaenen bewohnt, manche zerfallen auch. Mehrfach haben wir ehemalige Siebenbuerger getroffen, die laengst in Bayern oder anderswo zu Hause sind, die es aber immer wieder in ihre alte Heimat zurueck zieht.

Soweit fuer heute. Die Stadt Sibiu oder Hermannstadt, in der wir uns jetzt mehr als 2 Tage aufhalten, ist mir einen eigenen Post wert, der in einigen Tagen kommt.













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